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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1907-1908

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Muthesius, H.: Das Problem der neuzeitlichen Organisation des Kunstgewerbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7713#0042
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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

nur an diesen kann er lernen. Die Gewinnbeteiligung nach Prozenten legt
dem Produzenten dagegen eine verhältnismäßig leichte Belastung auf. Daß
sie sich für das Unternehmen rentiert, dafür ist der Aufschwung der Dresdner
Werkstätten für Handwerkskunst der beste Beweis.

Bisher haben eine große Anzahl von Künstlern auf dieser Grundlage mit
den Werkstätten gearbeitet. Die Organisation hat zu voller Zufriedenheit
funktioniert, so daß nie Differenzen vorgekommen. Erwähnt seien folgende
Künstler, die teils mit den Dresdner Werkstätten in Verbindung gestanden
haben, teils noch mit ihnen in Verbindung stehen: W. von Beckerath, J. V. Cissarz,
A. Endell, Karl Groß, Professor Gußmann, Hempel, Margarete Junge, Gertrud
Kleinhempel, Wilhelm Kreis, Eugen Kirchner, Ch. R. Mackintosh (Glasgow),
R. Riemerschmid, Baillie Scott (Bedford), Schaut, Hans Schlicht, W. Thiele,
E. H. Walter.

Das Gründungskapital der Dresdner Werkstätten ist äußerst gering gewesen.
Der Jahresumsatz ist im Verhältnis zum Gründungskapital sehr groß, er hat
sich in den letzten Jahren auf über eine Million Mark erhoben. Dabei haben
die Dresdner Werkstätten nie das Prinzip gehabt, die Preise zu drücken,
sondern vielmehr das, die Arbeit zu steigern, sie zeichnen sich nicht durch
Billigkeit, sondern durch Güte der Arbeit aus. Die große Spannung zwischen
der Höhe des Umsatzes und dem Betriebskapital ist nur möglich bei einem
Betriebe, bei welchem die Güte der Arbeit es gestattet, die Absatzbedingungen
selbst festzusetzen. Es wird nur gegen Barzahlung und fast nur auf direkte
Bestellung zahlungsfähiger Käufer geliefert.

Die Werkstätten haben den Beweis erbracht, daß ein Publikum vorhanden
ist, das gute Arbeit auf künstlerischer Basis verlangt. Dieses Publikum wächst
augenblicklich in Deutschland in sehr starkem Maße, wofür die Erklärung zum
Teil schon in dem wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands gegeben ist. Aber
dieser allein würde nicht ausreichen, um Waren, wie sie die Dresdner Werk-
stätten herstellen, beim Publikum durchzusetzen. Es muß unbedingt an-
genommen werden, daß sich die kleine Gemeinde derer, die aufrichtige, ge-
diegene und unprätentiöse Arbeit aus innerer Ueberzeugung verlangt, ständig
vermehrt. Nur an solche Abnehmer wendet sich die Arbeit der Dresdner
Werkstätten. Die Behauptung, die man von selten Kunstindustrieller so häufig
hört, daß das Publikum lediglich Dinge wünsche, die nach viel aussehen und
wenig kosten, ist durch die Existenz dieses Unternehmens schon an sich
widerlegt.

Auch auf der technischen Seite der Möbelproduktion haben die Dresdner
Werkstätten viel Eigenartiges entwickelt. In der Behandlung des Holzes durch
Ausbürsten der weichen Fasern sowie in der Durchgerbung von Hölzern, um
ihre Farbe zu veredeln, haben sie künstlerische Vorteile und eine gewisse
Steigeritng in der Widerstandsfähigkeit und Materialwirkung erreicht.

Von weit höherer Bedeutung sind aber die schon erwähnten, im letzten
Jahre zum Abschluß geführten Versuche, ein Massenmöbel durch fast aus-
schließlich maschinelle Herstellung zu erzeugen, das bei gediegenstem Material
und bei so guter Arbeit, wie sie die Maschine überhaupt liefern kann (und
es ist durchaus nicht gesagt, daß die Maschine nicht gute Arbeiten leisten
könne), so niedrige Herstellungskosten verursacht, daß es mit den üblichen
Bazarmöbeln konkurrieren kann. Diese Maschinenmöbel sind vielleicht die
 
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